Archiviert, Pfarre

Mein Pfarrer Ernst Grießner

Veröffentlicht am

19. Oktober 2017

von

Sabina Moser

von Herbert Schachner

Ich weiß nicht mehr, wer mich gefragt hat und wann ich gefragt wurde, ob ich ein Gedicht aufsagen möchte bei der Begrüßung unseres neuen Pfarrers. Fast alle Erinnerungen an diesen Abend sind durch die Jahre verblasst und jene, die mir noch geblieben sind, stehen mit diesem Foto in Verbindung. Ein großer, mir unbekannter Mann, der sich herunterbeugt, um jeweils ein kleines Sträußchen von mir und meiner Klassenkameradin Manuela entgegenzunehmen.

Er nimmt die Blumen und reicht mir die Hand. Er drückt zu. Nicht grob, aber fest und bestimmt.

Pfarrer Grießner, ein Arbeiter im Weinberg Gottes, der zugreift und anpackt.

Viele in Ellmau wussten es wahrscheinlich, dass er sich als Pfarrer von Fusch an der Großglocknerstraße besonders als Baumeister hervorgetan hat. Und auch bei uns in Ellmau wurde sehr schnell klar, dass größere Renovierungsarbeiten der Pfarrkirche bevorstanden. Natürlich habe ich das als Volksschulkind nicht in der ganzen Dimension und alle Zusammenhänge verstanden. Irgendwann hat es einfach geheißen, dass die Wochenendgottesdienste in der Aula der Schule stattfinden werden. Schockiert war ich. Kirchen in der Schule? Geht das überhaupt? Darf man das?

Uns Ministrantinnen und Ministranten hat er sehr einleuchtend und schnell erklärt, dass es nicht darauf ankommt, wo eine Messe gefeiert wird, sondern wie. Und außerdem soll Gott nicht in einem Raum zu uns kommen, sondern in unser Herz. Es geht also auch in einer Schule! Ganz unaufgeregt und unkompliziert. So war es mit unserem Herrn Pfarrer Grießner. Und immer wieder hat er uns von der neuen, renovierten Kirche erzählt. Ganz schön und hell wird sie werden. So manches wird ausgeräumt und weggebracht. Eine entrümpelte Kirche nach dem Motto: Weniger ist mehr.

Kein Åspeisgadda (Kommunionbank) und keine Geschlechtertrennung auf der Buakirch (Empore) mehr, auch so manche Bilder und Statuen fehlten und der Kreuzweg wurde ausgetauscht. Dafür hatten wir jetzt einen neuen Altar mit Ambo und Säulen für Chor und Empore. Kirche als Freiraum, die Halt und Stabilität im Leben gibt.
Der Kirchenrenovierung folgte jene der Annakapelle und der Maria Heimsuchungskapelle. Auch der Friedhof wurde erweitert. Ernst Grießner blieb also seinem Motto anzupacken und zuzugreifen treu.

Wieder zurück zum Foto: Pfarrer Grießner umringt von Kindern. So hat er sich wohl gefühlt. Besonders die Ministrantinnen und Ministranten haben ihm sehr viel bedeutet. Er hat uns in alle Richtungen gefördert und begleitet. Ministrantenfußball, Ministrantenschirennen und vieles mehr. Gedankt haben wir es ihm durch unser überaus zahlreiches Erscheinen. Bei so manchem Hochfest hatten wir keine Gewänder mehr. Aber auch das war für ihn kein Problem. Jede und jeder durfte mitgehen, auch ohne Gewand. Und passierte uns einmal ein kleines Missgeschick, so ist er es kommentarlos übergangen. Nie ein böses Wort von ihm. Die Älteren haben die Jüngeren geschimpft, aber auch das wollte er wohl eher nicht.

Es ist schade, dass es auf dem Foto schon Nacht ist und nichts von unserer Landschaft zu sehen ist. Die hat er nämlich sehr geschätzt und geliebt, besonders den Koasa. Immer wieder hat er uns von seinen Schitagen und Wanderungen erzählt und auch so mancher Sturz ließ sich nicht verheimlichen, war sein Gesicht doch ab und an von Abschürfungen und kleinen Kratzern gezeichnet. Pfarrer Grießner war ein Pfarrer, dem es eben manchmal nicht schnell genug gehen konnte.

Und ein letztes Mal möchte ich zurück zum Foto. Er lächelt und sagt etwas. So wie ich ihn später kennen lernen durfte, hat er wohl gesagt, dass er sich sehr freut. Und ich finde, man sieht es auch, dass er sich freut.
Pfarrer Grießner, ein Mann Gottes, der seine Gefühle und Emotionen nie verstecken konnte.

Meist waren seine Hände in Bewegung, wenn er gesprochen hat. Sehr gestenreich und mit freudig-strahlenden Augen hat er versucht, uns seine Vision von der Botschaft Jesu zu vermitteln. Mit lauter und starker Stimme hat er gesprochen und gepredigt und immer wieder Gott als die reine Liebe verkündet, die uns Menschen mit Barmherzigkeit entgegentritt. Doch bei so manchem Gottesdienst, der ihm naheging und persönlich be- bzw. getroffen hat, war sie für einen kurzen Augenblick weg, seine Stimme. Dann hat sie ihm ihren Dienst versagt. Und ganz Ellmau hielt den Atem an. Weil wir spürten, dass er nicht von oben zu uns sprach. Nicht wie einer, der es schon verstanden hat und uns belehren will, sondern er hat uns aus unserer Mitte heraus angesprochen. Als einer von uns. Einer, dem bei so manchem Unsagbarem eben die Worte fehlten.

Ob Freude, Leid, Ungeduld, Milde, Stolz, etc. eigentlich waren alle Emotionen immer von seinem Gesicht ablesbar. Dem Nächsten in Offenheit begegnen und stets über alles reden können. Eine Freude am Leben haben und diese an alle weitergeben wollen. So hatte ich ihn in Erinnerung und wie ich ihm nun bei seiner Feier zum 60jährigen Priesterjubiläum wieder begegnen durfte, habe ich gemerkt, dass er sich auch mit fast 87 Jahren kein bisschen verändert hat. Mit fester Stimme spricht er von Freude und Dank und einem Gott, der es gut mit ihm gemeint hat, einem Gott, der es mit uns allen gut meint. Einem Gott des Lebens und der Liebe.

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