Die 89 Jahre merkt man ihm nicht an, wenn er mit wachem Geist von früher erzählt und auch nicht, wenn er zügigen Schrittes durch Wald und bergiges Gelände stapft, um dort Wildtiere zu beobachten, was er schon sein ganzes Leben lang tut. Das Licht der Welt hat Florian Eisenmann am 5. Mai 1934 als neuntes von zehn Kindern auf dem Vorderwald-Hof in Ellmau erblickt. Seine Familie lebte dort bei der Bauersfamilie Foidl in nur zwei Räumen zur Miete. Vor seiner Geburt wohnten seine Eltern mit den älteren Geschwistern in dem kleinen Bergbauernhof „Widerern“, das Barthlmä Lechner gehörte, bei dem der Vater als Kohlenbrenner angestellt war, bevor er beim Straßenbau arbeitete.
Florian hält, wie er sagt, seine Vorfahren hoch in Ehren, denn er weiß, wie hart das Leben seiner Familie oft war. Seine älteste Schwester Maridl, die vor drei Jahren als Hundertjährige starb, erzählte ihm, dass der Vater einmal, als sie noch in Widerern lebten, mit dem Fahrrad von Kufstein nach der Arbeit einen Sack Mehl im Dunkeln, bei Schneetreiben und ohne richtige Straße oder Weg heim zur Familie brachte.
Im Ersten Weltkrieg verlor Florians Vater Peter Eisenmann ein Auge, aber die ärmste Zeit kam nach dem Krieg. „Die eine Kuh hatten, waren schon besser dran, aber wir hatten keine eigenen Viecher. Es war trotzdem a schene Kindheit, die Natur war unser Spielplatz, i bin a oft mit den Viechern vom Hof wassern gegangen. I war koa recht guater Schüler, aber wegen Fliegeralarm ist die Schule öfters ausgefallen. Im Winter hat der Vater manchmal mit uns in die Schule gehen müssen, weil der Schnee so tiaf war und der „Bot“ hat mit seinem Pflug erst an Weg machen müssen. Der Vater hat mi unter seinen Mantel genommen und weil i amol koane Schuh ghabt hab, hat er mir die von meinem älteren Bruder gegeben, der im Krieg eingezogen war. Die war’n mir natürlich zu groß.
Mit 13 Jahren hat mi der Hans Foidl, Auhäusl-Bauer aus Going, beim Tat ang’fragt als Kuahbuam auf der Alm (heute die „Stanglalm“) und aus der Schule geholt. I bin gern dort oben gewesen, zusammen mit der Sennerin, der Schlosser-Moidl, hab zwei Sommer lang da richtig aufgelebt.
Aber im Sommer 1949 ist plötzlich mei Mutter mit 58 Jahren gestorben. Zwei von meine Schwestern sind auf die Alm kemma und ham mi zum Begräbnis hoamg’holt. Des war a trauriger Abstieg.
Das Jahr drauf hat mi der Harasser-Bauer angfragt als Küahbua für die Regalm, da war i vier Jahr lang. Jeden Tag hat’s Milchsuppe, Butterbrot und Kas gebn und jeden Tag hab i’s no liaba mögen. I bin meistens barfuaß glaufen mit de Küah und de Schaf, aber es war die reinste Erholung!
Meine Jugendjagdzeit hat damals angefangen, als ich eigentlich noch nicht hätte dürfen, aber es hat gutes Gams- und Rehfleisch gebracht. Der Melker, der Widauer Lerl, hat ein Jagdgewehr gehabt und ich bin für Patronen und wenn was zum Richten war, zum „Fezl“ nach Going runtergeschickt worden. Damals hab ich meine Jugendlehre als Jäger gemacht. Ich bin überall raufgekommen, viel Berg gegangen und auch ohne Seil auf alle Felsspitzen gekommen. I kenn alle Wege im Koasa!“
In der Zeit lernte Florian auch den bekannten Bergsteiger der Edelweißgilde Michael Wieser, vulgo „Wieser Much“ kennen, der mit seiner Frau oft auf der Baumgartenalm gegenüber der Regalm war. In der Nähe vom Baumgartenköpfel, wo er nun begraben ist, „hat der Much im Fels eine Nische mit einem Eisentür’l gemacht und ich hab ihm dann jeden Tag, wenn i nach den Kälbern g’schaut hab, eine Kanne frische Milch da reingstellt und dann die weiße Fahne an einer Schnur hochgezogen, damit er sieht, dass was drin ist.
I war oft bei ihm droben und bin a auf seinem Begräbnis im Koasa 1952 mitganga an Krücken, weil i selbst grad an gebrochenen Fuaß g’habt hab.“
Dann wandte sich der Brantl Hans aus Going, der Molkerei-Chef in Schwaz war, an ihn: „Florei, di brauch ma, im Karwendel am Pechental is a große Alm, die Schleimsalm von fünf Bauern aus Schwaz, die brauchen an Kaser.“ Der Molkereichef lud ihn ein, im Winter in Rotholz die Landwirtschaftsschule zu besuchen, wo er dann auch gleich alle Führerschein-Klassen gemacht hat, und anschließend bei ihm in der Molkerei einen Monat lang die Kaserei, Kochen und Melken zu lernen.
Im Alter von 19 Jahren übernahm Florian Eisenmann dann zusammen mit einem anderen Melker oder Altbauern die Schleimsalm mit insgesamt 30 Kühen.
„Die Kaserei hat mir zuerst gut gefallen, i hab auf der Alm hauptsächlich Tilsiter gemacht, der ist guad graten“, schmunzelt er in Gedanken an diese Zeiten, „und nach dem Almsommer hat mir der Brantl anboten, in der Molkerei in Schwaz zu bleiben, aber den ganzen Tag immer drinnen bei der Kasluft und mit Gummistiefeln war mir nicht recht. Deshalb bin i lieber Chauffeur geworden und i wollt auch wieder heim zum Koasa, wo ich mich auskenn!
I bin dann zuerst beim Thomas Rass in St. Johann mit dem LKW Schotter gefahren, aber es war schwierig, ohne eigenes Fahrzeug zur Arbeit zu kommen, deshalb bin ich dann zum Aigner Sigei nach Ellmau und hab für ihn viel Holz gefahren, oft zum Klausner-Sägewerk in St. Johann oder auch für Wein-Hauser aus Brückhäusl Trauben aus der Wachau geholt. 22 Jahre lang war ich Fahrer beim Aigner Sigi, einige Jahre davon zusammen mit Voita (Valentin Sojer).
Als mir mit 60 Jahren langweilig wurde, hab ich dann noch zehn Jahre im Winter bei den Liften ausgeholfen.
Das Jagern hab ich aber nie gelassen, mit 30 hab ich 1964 in Kufstein den Jagdschein und die Prüfung gemacht. Der Dengg Jakob war damals Jagdpächter in Ellmau, den hab ich um eine Jagdkarte gebeten und dann auch offiziell jagern dürfen. Damals waren drei Stück Abschuss pro Jahr erlaubt, es gab aber kaum Rotwild. Ich bin hauptsächlich auf der Sunnseit jagen gegangen, hab alles zu Fuß gehen müssen. Das Jagern war früher ja ganz anders, auch weil es keine Forstwege gab.
1965 hab ich Maria, die Tochter vom Michael Feyersinger von der Fabrik, geheiratet und mit ihr die Töchter Maria (verheiratete Werlberger, Lierstätt-Bäuerin) und Ingrid, die einen Bauern aus Sölden geheiratet hat, bekommen.
Oft bin ich damals nach der Arbeit und dem Essen oder am Wochenende rauf zur Koasara Leit und Biedringer Leit, dort hieß es, hinsetzen und warten.
Wenn ich ein Tier erlegt hab, ob an Hasen oder Rehwild, habe ich es daheim im Keller ausgewaschen, im Dunkel ausgelaugt, nach ein paar Tagen dann auftranchiert, in einem Kübel gebeizt und einen großen Stein draufgelegt. Damals hab ich noch keinen Kühlschrank dafür gehabt und auch keine Selchkammer.“
1966 hab ich die Aufsichtsjägerprüfung für Tirol und Salzburg gemacht und wurde vom Oberförster Riedl als Hegemeister bestellt. Nach neun Jahren wurde ich vom neuen Bezirksjägermeister Ing. Hausleitner wieder als Hegemeister berufen und 1996 von Ing. Michael Naschberger nochmal bis 2012.
Als 1984 der Söllandler Delegierte beim Tiroler Jägerverband Adolf Aschenwald verunglückte, wurde ich bei der Neuwahl vorgeschlagen und für zwanzig Jahre als Delegierter bestellt. Und ich habe als Hegemeister und Delegierter bei den Versammlungen meine Stimme immer zugunsten für das Wild abgegeben!
Seit 1967 bin ich vereidigter Jagdaufseher in den Gemeindejagden Ellmau und seit 40 Jahren habe ich die Jagdaufsicht auf der Schattseite beim Thomas Brugger von Peterern. Ich hab nicht nur einmal erlebt, dass ein Jäger zu mir gekommen ist, der hoch oben im Fels eine Gams geschossen und geglaubt hat, die fällt eh runter. Ist sie aber nicht und dann sind sie zu mir gekommen, weil sie sich nicht raufgetraut haben und haben mich gefragt, dass ich das erlegte Wild runterhole. Das war dann nicht leicht, besonders, wenn noch Schnee gelegen ist.
Als Jäger hast du das ganze Jahr über zu tun, man verbringt viel Zeit mit Beobachten und dem „Wild ansprechen“ (gut ausforschen). Dann muss man auch füttern gehen und Salz für die Tiere austragen. Jagern ist nicht nur „rein in den Wald und schießen“!
Wenn i an Bauernbuam beim Wildern gestellt hab, hab i g’sagt: ‚mach die Prüfung‘ und hab ihn laufen lassen. Ich selbst hab auch Fallen aufgestellt und Füchse und Marder darin gefangen. Der Fuchs war wegen dem Fell gefragt, heutzutage hat das Raubwild aber keinen großen Wert mehr.“
Das Jagdjahr
„Im Mai, wenn der Auerhahn balzt, geht das Jagdjahr los. Der fängt eine Stunde vor Tagesanbruch mit dem Balzen an, da muss man schon um zwei, halb drei Uhr in der Nacht zu Fuß aufbrechen, um rechtzeitig dort zu sein. Ich hab sie besonders bei Riesenmoos und Widerernmoos ausgeforscht, auch für andere Jäger, denn es ist ein Höhepunkt, einen Auerhahn auszumachen und zu schießen.
Dann hört man vom Grutten und höher, oberhalb der Waldgrenze, den Birkhahn balzen bei der Riedlhütte. Ich habe auf meinen Wegen im Rucksack immer einen Salzstein dabeigehabt, um die Salzlecken neu zu bestücken. Bei Tagesanbruch hab ich dann das Wild beobachtet, welche Rehböcke unterwegs sind. Wenn dann im Juni die Schusszeit dafür losgeht, weiß ich, wo die Tiere, die in Frage kommen, sich aufhalten.
Um den 15. August geht dann die Gamsjagd los. Da bin i am Sonntag nach dem „Frühamt“ rauf zur Gaudeamushütte und den ganzen Tag auf der Pirsch gewesen. Hab von unten schon geschaut, wo welche sind und bin dann, bis es dunkel war, oben geblieben.
Im Oktober ist dann die Hasenjagd aufganga, da haben i und mei Hund immer a Freid g’habt! Danach hab i die Rehfütterung bestückt, damit sie wissen, dass was da ist.
So ist die Jagd langsam zu Ende gegangen. Im Winter hab i dann regelmäßig die Fütterungen bestückt mit schönem Heu und Salz.“
Sein liebstes Jagdgewehr ist ein Erbstück vom Harasser-Bauer Josef Foidl von der Regalm, dem er dort die Kühe gehütet hat, und der später sein Jagdfreund wurde. Foidl hatte sich 1960 um 60 Tausend Schilling, wie sich Florian Eisenmann noch genau erinnert, ein schmuckes dreiläufiges Gewehr gekauft und ihm versprochen, das er es ihm nach seinem Tod vermacht. Das ist jetzt etwa zehn Jahre her. Daneben benützt er auch ein zweiläufiges Gewehr, das er selbst vor 40 Jahren erworben hat.
In seiner gemütlichen Stube mit dem grünen Kachelofen in seinem Haus in Auwald kann der Besucher neben einigen Jagdtrophäen, wie einem ausgestopften Auerhahn und dem Geweih des Hirschen, den Florian Eisenmann im Herbst 1991 auf dem Hartkaiser erlegt hat, auch zahlreiche Pokale bewundern. Die hat der passionierte Jäger sowohl beim Preisschießen errungen – den letzten vor gar nicht langer Zeit – als auch bei Hunde-Wettbewerben mit seiner von ihm so geschätzten Rasse der „Alpenländischen Dachsbracke“. Denn seit 1968 war er auch 50 Jahre lang Jagdhundeführer.
Florian Eisenmann kann auf ein erlebnisreiches und erfülltes Leben zurückblicken, und zwar ganz ohne „Jägerlatein“!
Florian Eisenmanns „Jaga-Hoangascht“ mit Waldaufseher Georg Berger und Chronistin Sabina Moser im Juni 2023