Koasarateich Marterl

Wegkreuz

Koasarateich Marterl

Versteckt im Koasabergwald in Ellmau steht seit 75 Jahren ein steinernes Marterl im Andenken an einen tragischen Unfall, der sich dort in einem Teich, den es lange schon nicht mehr gibt, abspielte. Florian Eisenmann, der als Bub dabei war, als der Ellmauer Bauernsohn Simon Lanzinger dort 1946 ertrank, erinnert sich an den Unglückstag und die damalige Zeit.
Zu Füßen des Wilden Kaisers liegt der „Koasaberg“ im Ellmauer Ortsteil Kaisern. Hier befindet sich gleich unterhalb der Enzianwiese, die im Frühjahr von den blauen Bergblumen übersät ist, eine kleine grasige Lichtung mitten im Wald, durchzogen von einem Bachrinnsal und natürlich eingegrenzt von Stauden und Büschen. Kaum noch vorstellbar, dass bis vor bald zwanzig Jahren ein großer Teich mit gemauerten Fundamenten das Gebirgswasser aus den Quellen des Kaisergebirges als Speichersee für das ehemalige E-Werk von Bartlme Lechner auffing und ins Tal leitete. Dieser „Koasarateich“ lag auf dem Grund von drei Bauerngütern, die dort aneinandergrenzen, die Höfe Lehen, Kaisern und Hinterbuchau.

Bei Kriegsende 1945 warf ein Flieger dort in der Nähe einen leeren Treibstofftank ab, der die Form einer länglich ovalen Bombe hatte. Einige junge Burschen aus dem Ort fanden das vom Himmel gefallene Metallobjekt und halbierten es an seiner Schweißnaht. So kamen sie zu einem Blechboot, schmal und lang wie ein Kanu.
Der heute 87jährige Florian Eisenmann aus Ellmau wohnte damals mit seiner Familie in einem „Zuhäusl“ auf dem Vorderwaldhof und war als Nachbarbub oft bei den Hinterwaldbauern Simon und Cilli Lanzinger zum Mithelfen. Deren einziger Sohn Simon besaß ein Pferd, auf dem er gerne ausritt, erinnert sich Florian und dass er den älteren Freund, den er wohl auch etwas bewunderte, oft auf seinen Streifzügen begleitete.
„Zur damaligen Zeit hatte ja kaum einer ein Fahrrad oder anderes Sportgerät, wir mussten uns halt immer eine Beschäftigung in der Natur suchen.“
Da kam das Boot, in das sie einen notdürftigen Sitz gebaut hatten, grade gelegen. Die Jugendlichen rund um Simerl, der Honisl Peter, der Jager Hans, die Buchinger Cilli und andere trafen sich oben am Teich, wo die Wagemutigsten auf dem Waldsee paddelten, der sehr kalt und an einigen Stellen auch drei bis vier Meter tief war.
Der elfjährige Florian kam dann mit auf den Koasaberg zum Schauen und so musste er auch mitansehen, wie sein Freund ums Leben kam. Es war am 1. Mai 1946 zu Mittag.
„Der Simerl wollt‘ grad auf dem Wasser eine Kurve drehen, da hat es ‚platsch‘ gemacht, er war weg und tauchte nicht mehr auf. Das Boot hatte keinen Kiel und damit er drin nicht das Gleichgewicht verliert, hat der Simerl seine Füße unter einen Querstreben im Blech gesteckt. Da ist er wohl stecken geblieben. Alle Freunde standen hilflos am Ufer und es hat sich auch keiner reingetraut, denn damals haben die wenigsten schwimmen gekonnt. Trotzdem haben sie versucht, das Boot irgendwie an Land zu bringen. Ich hab‘ aber Reißaus genommen und bin ins Dorf runtergerannt, ich wollte den Simerl nicht tot sehen.
Jemand ist zum Lechnerbauern um Hilfe gelaufen, der hatte damals Flüchtlinge aus Wien am Hof. Von denen ist ein junger Mann sofort her und wollte den Simerl rausholen, aber das Wasser war eiskalt und so haben sie das Boot schließlich mit einer Stange rausgefischt.“

Der 18jährige Simon Lanzinger wurde dann auf dem Hinterwaldhof aufgebahrt und das Steinmarterl im Wald oberhalb des Teichs haben seine Freunde später errichtet. Da die Eltern des Verunglückten ihren einzigen Hoferben verloren hatten, haben sie ihren Hof getauscht und den kleineren Freihof übernommen.
Sebastian Bucher, der Altbauer von Hinterbuchau, ist zwar erst zehn Jahre nach dem Unglück geboren, aber auch er kennt Einzelheiten zu der Geschichte und weiß, was mit der zweiten Hälfte des abgeworfenen Flugzeugtanks geschah.
„Die andere Wanne gelangte auf unsere Bucheralm und wurde vom Vorbesitzer von Vorderbuchau zum ‚Mistzah’n‘ verwendet“, schmunzelt Wast und fährt fort, „als Bub habe ich sie dort noch gesehen, später hat man sie dann oben vergraben.“
Der Teich wurde vor bald zwanzig Jahren ausgelassen, zugeschüttet und von der TIWAG stillgelegt, da sich die Wartung nicht mehr rentierte.
Das inzwischen moosüberwachsene Marterl im Wald erinnert aber weiterhin an diese tragische Geschichte vom Koasaberg.
Sabina Moser, Chronistin Ellmau, Juli 2021

Steckbrief

Bezeichung:
Koasarateich Marterl
Straße / Flurname:
Kaisern
Ortsteil:
Kaiserberg
Eigentümer*in:
Hof Lehen
Betreuer*in:
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Bilder

Standort